Neue Musikzeitung
Ausgabe November 2017

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Die vergessene Komponistin der Dichter

Anna Teichmüller - eine Komponistin der Spätromantik

Braunschweig. Ein zufälliger Notenfund in einer Garage bei Verwandten bescherte der musikalischen Welt 20 Kartons mit Klavierwerken, unveröffentlichten Manuskripten und Erstdrucken von Cécile Chaminade. Es war ein doppelter Zufall: der Entdecker war der Pianist Johann Blanchard und die bis dato unbekannte Musik von exzellenter Qualität. Es folgte eine kritische Auseinandersetzung mit dem Notenmaterial und CD-Aufnahmen, gepaart mit der Hoffnung, eine interessierte Zuhörerschaft zu finden. Diese Chance bekommt nicht jeder Nachlass. Leider, aber der Zufall kann manchmal nachhelfen.
Als sie in der lokalen Presse mein Interview zum Thema „Vergessene Komponistinnen“ las, fühlte sich die in Braunschweig lebende Großnichte einer Komponistin angesprochen und suchte den Kontakt zu mir, um auch hier dem Zufall in die Hände zu spielen. Ihre Großtante war eine Komponistin der Spätromantik, Anna Teichmüller (1861-1940). Es kam zum ersten brieflichen Informationsaustausch, zum persönlichen Treffen, zum Austausch des vorhandenen Notenmaterials. Die Großnichte, Anna-Matilda Fischer, übertrug viele der vorhandenen Briefe Teichmüllers, die in Göttingen geboren wurde. Anna Teichmüllers Vater war Philosophieprofessor. Die Familie lebte in Städten wie Göttingen, Dorpat, Jena, Berlin und Basel. Sie erhielt ihre musikalische Ausbildung in Jena und Berlin, lebte zeitweise in St. Petersburg. Anna Teichmüller verbrachte einen großen Teil ihres Lebens in der von Carl und Gustav Hauptmann gegründeten Künstlerkolonie in Schreiberhau im Riesengebirge, ähnlich der in Worpswede. Hier beginnt sie mit 43 Jahren zu komponieren. Ihr Oeuvre umfasst ca. 150 Lieder für Singstimme mit Klavierbegleitung, in der Mehrheit zu Texten des Dramatikers Carl Hauptmanns, aber auch zu Rainer Maria Rilkes oder Gottfried Kellers Gedichten, einige Klavierstücke („Die georgische Prinzessin“), eine Suite für Violine, eine Osterkantate, eine Oper und eine „Missa poetica“. Manche ihrer Lieder wie „Frau Nachtigall“, „Lärchenbaum“ oder „Windlied“ sind im Sujet schlicht gehalten, sicherlich beeinflusst von der sie umgebenden Einfachheit der Natur. Andere wiederum zeigen, bedingt durch die Textvorlage, viele expressive Elemente in der Gesangsstimme, die durch eine ausdrucksstarke Klavierbegleitung unterstützt werden („Die einsame Nacht“, „Ein Berittener“, „Waldnacht“). Die im Certosa-Verlag erschienenen „Sieben kleine Klavierstücke“ op.44, die sie höchstwahrscheinlich den Kindern in einem Kinderheim widmete, in dem sie arbeitete, sind kleine, abwechslungsreiche Charakterstücke, die sowohl durch ihre technische Vielfalt als auch durch ihre musikalische Ideen („Mückentanz“ oder „Springinsfeld“) begeistern können.
Der größte Teil ihrer Werke wurde zu ihren Lebzeiten im Berliner „Dreililien“-Musikverlag veröffentlicht. Ihr musikalischer Nachlass ist in verschiedenen Nachlässen aufgeteilt (u.a. beim Vater und bei Carl Hauptmann), was die Aufarbeitung ihrer Biografie erheblich erschwert. Da Schreiberhau heute in Polen liegt, interessierten sich viele polnische Musikologen für Anna Teichmüllers Leben und Werk. Die vorhandenen Veröffentlichungen müsste man mit dem auf der der deutschen Seite existierenden Notenmaterial (aufbewahrt u.a im Archiv Frau und Musik in Frankfurt, in Berliner Archiven und Bibliotheken) und der erhaltenen Korrespondenz zusammenfügen und wissenschaftlich auswerten. Die Nachkommen von Anna Teichmüller bemühen sich intensiv um die vollständige Dokumentation ihres musikalischen Werkes. Es handelt sich also hier um eine unbekannte Komponistin, die wie so viele Frauen, ihr Talent ausleben, aber vielleicht nicht in allen Facetten entfalten konnten. Ihr gehört aber ein Platz in der Musikgeschichte, denn sie verdient eine Würdigung für ihr kompositorisches Schaffen und es liegt an uns, sie dem Prozess des Vergessens zu entreißen. Eine Gesamtausgabe ihres Liedschaffens gefolgt von einer Audioaufnahme wäre für ihre Rezeption wünschenswert. Damals fand sie ihre Zuhörerschaft, warum also nicht heute?
Claudia Bigos (bica)
◾ Claudia Bigos (bica)

Foto: Privatbesitz der Familie




Als Anreger für neue Kompositionen für Flöte solo und Kammermusik mit Flöte

Prof. Helmut W. Erdmann zum 70. Geburtstag

HannovLüneburg. Der in Emden geborene Pädagoge, Musiker und Komponist feierte im Oktober 2017 seinen 70. Geburtstag. Dazu unser herzlichster Glückwunsch für Gesundheit und weiter erfolgreiches künstlerisches Wirken.
Innerhalb vom 43. Festival NEUE MUSIK LÜNEBURG Anfang Oktober 2017 präsentierte dazu Helmut W. Erdmann (Flöten und Live-Elektronik), Werke von H. Bieler, L. Dubrovay, R. Hecht, M. Sell. Mit der Festival-Woche wurde auch an die 20 Jahre Kooperation der Hochschule für Musik und Theater Hamburg mit dem Fortbildungszentrum für Neue Musik und die nun 10 jährige Kooperation mit der Gesellschaft für Neue Musik Hamburg und dem Fortbildungszentrum für Neue Musik in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Komponistenverband, Landesverband Norddeutschland, erinnert.


Nach dem Studium in Braunschweig (Orchesterdiplom) und Hamburg (Flöte, Komposition und Elektronische Musik) legte Helmut W. Erdmann 1971 seine Musiklehrerprüfung ab. Seit 1972 ist er Lehrbeauftragter an der Leuphana Universität Lüneburg und wurde 1992 Professor für Komposition/Live-Elektronik an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Seit 1974 ist er Mitglied des DTKV und arbeitet aktiv im Vorstand der Bezirksgruppe, jetzt als Vorsitzender, mit.
Als Dozent, Referent und Kursleiter tritt Prof. Erdmann auch auf überregionalen und internationalen Tagungen und Kongressen auf. Zu seinem künstlerischen Wirken gehört eine rege solistische Tätigkeit bereits sowie die Mitgliedschaft in verschiedenen Ensembles bundesweit, so im 1971 gegründeten Varius-Ensemble (Hamburg). Seit 1980 Mitwirkung als Mitglied des Ensemble Musica Viva (Bayreuth) und seit 1991 Mitglied des Michael Sell Ensembles (Frankfurt).
So wurden ihm zahlreiche Auszeichnungen national wie international zuerkannt.
Prof. Erdmann wurde 1975 Künstlerischer Leiter der Veranstaltungsreihe Neue Musik in Lüneburg und 1977 außerdem Leiter des Fortbildungszentrums für Neue Musik ebenfalls in Lüneburg.
Die ca. 200 kompositorischen Arbeiten von Prof. Erdmann umfassen alle Gattungen, einschließlich elektronischer und live-elektronischer Werke.
Seine internationale Wirksamkeit beweißt er seit 1998 als Präsident der Europäischen Konferenz der Veranstalter Neuer Musik (ECPNM) und seit 2009 als Vorsitzender des Deutschen Komponistenverbandes, Landesverband Norddeutschland.
Zahlreiche Konzerte und Rundfunkproduktionen haben mit eigenen Werken in der Deutschland, in Europa, Japan und in den USA stattgefunden.
◾ Gunter Sokolowsky (gs)




Erinnerung

Braunschweig. Das Klavierpodium zum Thema „Künstlerisches Klavierspiel vor, in und nach dem Musik-Studium“ findet am Samstag, 25.11.17, zwischen 10 Uhr und 18 Uhr, in der Klavierfabrik Grotrian-Steinweg statt. Dozent ist Prof. Roland Krüger. Anmeldungen können noch vorgenommen werden. (gs)

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