Neue Musikzeitung
Ausgabe März 2019

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Kompositions-Warenlager mit gefüllten Regalen

Konzert mit Werken aus dem Manuskriptarchiv - Digitalisierung geplant

Oldenburg. Eine Bundesliga erlebt nicht an jedem Spieltag große Spitzenspiele. Aber auch die übrigen sind fast immer sehenswert. Das lässt sich gut auf die Musik übertragen. Nicht jedes Opus fällt in die Kategorie großes Meisterwerk. Aber auch die anderen sind fast immer hörenswert.
Einer wie Mozart hat das mal in seinen Worten in einem Brief dem Vater erklärt: “Die liegen angenehm in die Ohren, ohne aber gleich ins Leere zu fallen.” Mit anderen Worten: Die sind ganz nett anzuhören, aber bedeutsam sind sie nicht. Nun war Mozart dabei selbstkritisch. Er meinte drei seiner mittleren Klavierkonzerte.
Greifen wir mal direkt in die heutige Zeit hinein. Wer kennt denn Kompositionen etwa eines Walter von Forster, von Rudolf Mors oder Kurt Strom? Nur bei absoluten Musikspezialisten fallen solche Namen nicht ins Leere. Das sind Meister, die einst zur Avantgarde gehörten, danach erst einmal als veraltet galten - und heute zu Recht wieder aufgeführt werden.
Wer in der Aula des Alten Gymnasiums in Oldenburg beim Konzert des Deutschen Tonkünstlerverbandes (DTKV) Forster hört (1915 - 2002/Violinsonate), oder Mors (1920 - 1988/Cellosonate), oder Strom (1903 - 1985/Divertimento), schaut angenehm überrascht drein: Wow! Diese Musik liegt ja angenehm in den Ohren!
Das Hörerlebnis beschert das Manuskriptarchiv des DTKV. Es ist in Siegburg installiert, wird betreut von der dortigen Engelbert-Humperdinck-Gesellschaft. Aktuell werden knapp 3000 Kompositionen verwaltet. Jeder kann in diesen Pool einliefern. Er ist ein sprudelnder Quell für Instrumentalisten, die nach Aufführungs-Vielfalt suchen. “Sie spüren dort eine Menge vielfältiger Spielmusik im besten Sinne auf“, sagt Christoph Keller. “Es gibt Eingängiges, Festliches, Virtuoses, Verschlungenes, Vertracktes, Aufbauendes, Exotisches. Es gibt auch Wettbewerbsstücke und zudem höchst Anspruchsvolles.“ Oft finden gerade auch junge Musiker Anregungen, wenn sie Stücke für den Wettbewerb “Jugend musiziert” suchen.
Der Oldenburger Komponist und Klavierpädagoge Keller dürfte sich selbst in die Kategorie der ambitionierten Anbieter einreihen. Sein Stück “Luft” aus dem Zyklus Klangwelten II von 1994 für Klavier steht auf dem Programm. Der Komponist lässt vier Vertreter der Elementarstufen Feuer, Wasser, Erde und eben Luft im Sinne des Anthroposophen Rudolf Steiner zu den Menschen sprechen. Das geschieht in einer höchst intensiven, verdichteten und technisch anspornenden Musik. Für herausfordernd Experimentelles steht die ebenfalls in Oldenburg wirkende Violeta Dinescu, hier mit ihrem Cello-Solo “Corona”. Und anspruchsvoll eingängig sind auch die Impressionen von Jost Nickel, in denen der Urton G immer wieder aus anderen Richtungen von Altflöte und Cello aufgespürt wird.
Jost Nickel war bis zu seinem Tod im Januar 2017 eine treibende Kraft in der Humperdinck-Gesellschaft und bei Fortführung und Betreuung des Manuskriptarchivs. Ursula Keusen-Nickel hält immer noch viele der von ihm geknüpften Fäden in der Hand. Die Cellistin ist 86 Jahre alt und eine technisch sichere und stilistisch geschliffen gestaltende Musikerin. Da fällt nichts ins Leere. Nicht nur mit ihren selbst verfassten fünf Variationen über ein niederrheinisches Volkslied (“Schwesterlein, Schwesterlein”) hält sie ein schönes Plädoyer für die Vielfalt dieses engmaschig geknüpften Komponisten-Netzwerks.
Pianist Gotthard Kladetzky ist an diesem Tage sozusagen doppelt im Einsatz. Der 69-Jährige ist seit 40 Jahre als Klavierlehrer in Moers tätig, zudem lehrt er an der Kölner Musikhochschule. Dem Keller-Werk ist er ein überaus sensibler und trotzdem beherzt zupackender Interpret, den anderen Musikerinnen wie Karen Fälker-Herkenhöhner (Querflöte) und Dorota Kölblinger (Violine) ein ebenso dezenter wie anspornender Begleiter.
Und er steht inzwischen persönlich für das Musikarchiv, das er in der Nachfolge von Nickel leitet. Für den weiteren Ausbau treibt er Pläne zur Digitalisierung voran. Dazu sollen weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiviert werden.
◾ Horst Hollmann (hoho)

Die Mitwirkendsen (v.r.) Karen Fälker-Herkenhöhner (Querflöte), Dorota Kölblinger (Violine), Gotthard Kladetzky (Kalvier), Ursula Keusen-Nickel (Violoncello)
Foto: Johannes Keller




Das bewegte Gehirn: Musik, Sport und Ernährung für das lernende Gehirn

Prof. Dr. Martin Korte zum Thema, musikalisch eingerahmt von KinderKlassik.com

Braunschweig. Bereits fünf Jahre besteht der Verein KinderKlassik.com, in dem sich viele DTKV Aktive in Braunschweig mit ihren Schülern in Konzerten und Projekten engagieren. Dieses Mal hat KinderKlassik.com Prof. Martin Korte, einen der renommiertesten Hirn- und Lernexperten eingeladen.
Begrüßt wurden die 120 Gäste von Nora Maria, die aus eigener Erfahrung erklärte: „… gemeinsames Musizieren erzeugt eine positiv-emotionale Verbindung zwischen Menschen, auch wenn sie über verschiedene kulturelle oder soziale Hintergründe verfügen.“
Prof. Martin Korte begeisterte seine Zuhörer mit seinen Kernaussagen: das Gehirn reagiert auf Training wie ein Muskel: es wächst mit seinen Aufgaben. Und was gut fürs Herz ist, ist auch gut für unser Gehirn!
Sein Tipp: immer nach den fünf „L“ handeln: 1) Laufen: regelmäßige Bewegung und körperliche Anstrengung fordert unser Gehirn. 2) Lernen: bringt Freude ins Leben, erhält die Neugier und hilft gegen das Vergessen. 3) Lieben: Freunde und ein aktives soziales Umfeld fordern unser Gehirn. 4) Lachen: Genießen wir die Momente des Glücks. Das reduziert den schädlichen Stress für unser Gehirn. 5) Lachs: steht für bewusste Ernährung mit vielen ungesättigten Fettsäuren.
Musizieren vereint alle für das Gehirn positiven Aspekte. Weil über ein gelesenes Notenbild feinmotorische Körperbewegungen ausgeführt werden, die über das Gehör kontrolliert werden, ist das Gehirn mit allen seinen Regionen gefordert. Und wenn noch gemeinsam oder vor Publikum musiziert wird, ist der interaktive, soziale Aspekt mit eingebaut. Und nach einer gelungenen Aufführung ist der Künstler im „Flow“ und wird von Glücksgefühlen überschwemmt.
Und gelungene Musikbeiträge boten die KinderKlassik.com-Künstler. Lea begeisterte mit einer Bach Partita, Tordis mit einem Adagio und das sehr junge Ensemble für Alte Musik mit einem Andante von Telemann. Großer Beifall für die Veranstaltung, die mit einem Umtrunk und Gesprächen ausklang.
◾ Dr. Volker Eckhardt

Unser Tipp für Ihre nächste Gehirn-Anforderung: Prof. Kortes Bücher lesen!: „Jung im Kopf“, Pantheon Verlag / „Wir sind Gedächtnis“, Deutsche Verlags Anstalt


Lea Jonscher spielt eine Bach Partita. - Foto: Charlotte Warstat



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