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Neue Musikzeitung
Ausgabe Mai 2011
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Was wird sein?
Das duo pianoworte hat ein neues Werk für Sprecher, Klavier und eine Schulklasse in Auftrag gegeben, welches nun in Osnab-rück erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein Thema, das sich nahe an der Be-findlichkeit von Kindern orientiert und bereits in der Schule hochaktuell ist: „Mobbing“.
Mit einem Trommelstab klopft Helmut Thiele rhythmisch auf den Flügel, während Pianist Bernd-Christian Schulze sanft über die Klaviersaiten streicht: Töne, die den Übergang markieren zu den drei Traumsequenzen des Mädchens Maja, das sich vor der neuen Schule fürchtet. Vor der Bühne sitzen etwa 25 Schülerinnen und Schüler und intonieren in raphaftem Sprechgesang den Geräuschpegel einer Schulklasse: "Wisseli, wasseli, wass!" Über Maja, die Neue, ergießt sich schließlich ein gemeiner Lach-chor. Eine Szene, wie aus einem Psychodrama, die sich allein in Majas Traumwelt abspielt. Ihre Unsicherheit bleibt indes: "Was wird sein?"
Die Uraufführung des gleichnamigen Musik-Erzähl-Stücks fand am 30. März in der Aula des Ratsgymnasiums in Osnabrück statt. Unter der Leitung von Musiklehrer Gerhard Beermann hatte die Klasse 7d mit Schauspieler Helmut Thiele und Pianist Bernd-Christian Schulze alias duo pianoworte das Melo-dram von Alexander Kuchinka einstudiert. Zur Ur-aufführung des Werks war der 1967 geborene Kom-ponist und Texter eigens von Wien nach Osnabrück gekommen. An dem Schulthema hat ihn neben der Grup-pendynamik innerhalb einer Klasse vor allem die "Unvorhersehbarkeit der Dinge" gereizt.
Drei Wochen wurde geprobt und sogar einen ganzen Sonn-tag „opferten“ die Siebtklässler dabei - ein Aufwand, der sich gelohnt hat. Die Partitur erfordert zwar keine im Singen vorgebildete Chorklasse, verlangte den Akteuren aber in Punkto Disziplin und Präzision einiges ab. Kuchinka holt die Jugendlichen dort ab, wo sie stehen: Der Klavierpart enthält musicalartige Klänge ebenso wie groovende Patterns. Das Konzept, Schüler und Profis gemeinsam auf der Bühne agieren zu lassen, ging in beeindruckender Weise auf.
Jeder Traum sorgte für eine neue Ausgangslage in der Psyche des Mädchens und so, wie sich in dem Melo-dram um Majas Selbstfindung Helmut Thieles einfühlsame Erzählstimme mit dem Chorge-sang der Siebtklässler abwechselte und ergänzte, ließ sich am Ende auch das Publikum gerne auf eine gemeinschaftliche Gesangseinlage ein: "Ich bin anders, du bist anders, alle sind anders, ist das nicht gleich?"
Ein Plädoyer für die Individualität eines jeden Menschen und eine "Lektion" für alle Generationen. ?
Uta Biestmann-Kotte
Cross-over der besonderen Art:
Impressionistische Melodien und barocke Triller treffen auf perkussiven Groove
Erwartungsfroh stellten sich bereits nach der Lektüre des Programms Fragen: Scarlatti gemischt mit Djembe oder Wasserharfe? Was sind das überhaupt für Instrumente? Daneben noch traditionelle Querflötenliteratur des Impressionismus und jazzorientierte Kunstmusik?
Dieser Cross-over unterschiedlicher musikalischer Welten gelang den drei experimentierlustigen Oldenburger Musikerinnen Anke Roßner, Ursula Schmidt und Ruth Ense am 6.März spielend. In der Konzertreihe „Musik in St. Stephanus“ präsentierten sie unter dem Motto „Triller, Groove und Melodie“ Werke von Eugène Bozza, Jules Mouquet, Gabriel Fauré, Claude Bolling sowie Domenico Scarlatti, letztere allerdings in neuem Gewand.
Die impressionistischen Melodien lieferte Anke Roßner mit der Querflöte. Dabei meisterte sie mit ihrem farbenreichen Spiel ein breites Klangspektrum: Von den getragenen Bögen Bozzas, über Mouquets luftig-verspielte und tänzerische Pan-Szenen, bis hin zur Fantasie op. 79 von Fauré. Deren virtuosen Melodik und Eleganz nutze die Flötistin, um alle Facetten ihres Könnens zu zeigen. Zusammen mit Ruth Ense am Klavier gelang den beiden Musikerinnen eine hervorragende Balance zwischen stimmungsvollem Schweben und kraftvoller Strukturierung des „impressionistischen“ Programmteils.
Dieser wurde regelmäßig von „Triller und Groove“ unterbrochen; zu den barocken Verzierungen Scarlattis gesellten sich Perkussion-Instrumente, welche das Element Rhythmus verstärkten:
Ruth Ense verlieh dabei mit temperamentvollem und nuanciertem Spiel nicht nur den Sonaten, sondern auch der Toccata D-Moll K203 Transparenz und Lebendigkeit. Ursula Schmidt setze ihr Instrumentarium dazu auf eine vielfältige, subtile und versierte Art ein, die sowohl ihre klassische Ausbildung als auch ihre Freude an Improvisation deutlich machte.
Die spritzigen, unter dem Eindruck des Flamenco entstandenen Sonaten E-Dur K 380 und C-Dur L 159 erhielten durch den Einsatz von Djembe und Rahmentrommel etwas aufregend Elementares. Verzierungen und tänzerische Rhythmen von Klavier und Trommel umspielten sich und erklangen wie aus einem Guss.
Nicht weniger stimmig war die Verschmelzung der Sonate C-Moll L 352 mit dem Aquaphone (Wasserharfe). Dieses Instrument besteht aus einem mit Wasser gefüllten Edelstahlklangkörper mit Klangstäben und wird geklopft, gestrichen oder geschwenkt. Dabei entstehen wässrige, sphärische, jaulende Klänge, die an Walgesänge oder hallige Unterwasserechos erinnern. Sie verliehen der komplexen Moll-Harmonik zusätzlichen Schmerz und eine bizarre Schwere.
Der Abschluss des Programms bot einen Ausflug in die jazzorientierte Kunstmusik Claude Bollings. Die Cajon (aus Peru stammende Kistentrommel) ersetzte mit ihren vielfältigen Sounds das Schlagzeug, Klavier und Querflöte swingten voller Rasanz und Spielfreude.
Man wünscht den Musikerinnen eine Fortführung ihres gelungenen und abwechslungsreich gestalteten Cross-over-Experiments, das Liebhaber unterschiedlichster Musikwelten überzeugen und begeistern wird.
Anneke Fürst
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