Neue Musikzeitung
Ausgabe Oktober 2011

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66. Sommerliche Musiktage Hitzacker – Familienbande

Familienbande, das ist ein mehrdeutige Geschichte: Schön aufdröseln konnte man das beim diesjährigen Themenfestival in Hitzacker, denn es gibt ja nicht nur die genuine Familie, sondern auch zum Glück die Wahlverwandtschaften, und dazu gehört die große Festival-Familie, die sich seit 66 Jahren regelmäßig, stets sich erneuernd und vergrößernd, am Elbufer einfindet. So steht das diesjährige Thema auch nicht ohne Bedeutung für den Abschied des Festivalchefs Dr. Markus Fein vom Kammermusikhügel, der durch sein Profil zum Kammermusik-Zenit geworden ist. Begeisterter Dank überflutete ihn dann geradezu beim Finale.
Markus Fein wählte das Thema jedoch mit Blick auf Musikerfamilien: den Anstoß gab die aus Moldawien stammende Vollblut-Musikerfamilie Patricia, Emilia und Victor Kopatchinsky, an deren musikalischer Ausstrahlung und  brennenden virtuosen Intensität an der Schnittstelle zwischen Volksmusik und Klassik die Festivalfamilie mit Begeisterung teilhatte. Weitere Musikerfamilien kommen zu Gehör: Vater und Sohn Brendel und der virtuose jugendliche Ziehsohn Kit Armstrong; von den Musikerfamilien der frühen Neuzeit kündete sensitiv und aus der Stille heraus die Gambenfamilie unter Leitung von Hille Perl; das erfrischende Familienquartett Skride mit Baiba, Linda, Lauma und Mutter Liga kam mit Schubert, Prokofjew und Brahms in wechselnden Besetzungen; ein Höhepunkt: das multimediale Feature um den Salon der Familie Wittgenstein in der Ära des ausklingenden großbürgerlichen Mäzenatentums, bravourös: Kirill Gerstein im Konzert für die linke Hand von Maurice Ravel, für den kriegsversehrten Paul Wittgenstein geschrieben.
Im Profil auch der Tag mit den Mendelssohns: Hanjo Kesting las, stundenlang hätte man ihm zuhören mögen. Lauma Skride überraschte mit Fannys reifer Jahreszeiten-Komposition. Höhepunkt des Tages, wenn nicht der gesamten Festspiele: die Interpretation des  Streichquartetts Nr. 6 f-moll op80, entstanden Im Schmerz um den Verlust der geliebten Schwester. Das britische Elias String Quartet entwickelte sein perfektes und lupenreines Zusammenspiel hier hin zu einer Topographie der Klänge und Farben, zu körperlich spürbarer Intensität der Gestaltung, wie sie nur eine tiefe musikalische Fähigkeit zum Miterleben, zur Empatie, hervorbringen kann.
Zum Beginn der Woche ein Trommelwirbel der Gefühle: Nike Wagner stellte in einem glänzenden, scharf profilierten Vortrag den Mythos der Familie Wagner dar, umrahmt vom Göttinger Sinfonieorchester mit dem „Siegfried-Idyll“ ihres Urgroßvaters Richard Wagner und der “Ungarischen Rhapsodie Nr 2“ ihres Ur-Urgroßvaters Franz Liszt, dessen 200. Geburtstag dieses Jahr gefeiert wird. So blitzt sein Werk auch im Festival-Programm immer wieder auf, das diesmal wesentlich weniger Neue Musik enthält als in den vergangenen Jahren. Jetztzeit-Komponisten-Familien scheinen dünn gesät.
Kennedy-Clan-Session, Blues Brothers im Open-Air-Kino, Festival Walk und Familienfest sind als Crossover der allgemeinen Event-Idee geschuldet und rundeten das Festival auch diesmal wieder vergnüglich ab.
Jutta de Vries



Eins plus Eins gleich Drei

4. Klaviertage Unterelbe mit Mehrwert

„Eins plus eins gleich drei, das weiß doch jeder Musiker“ überzeugt Dozent Prof. Bernd Goetzke  die estnische Jungpianistin Kaart Ruubel bei der Erarbeitung von Bachs Französi-scher Suite im öffentlichen Meisterkurs in der KJM Stade: „Phrase folgt auf Phrase, und ge-meinsam wird daraus ein dritter neuer musikalischer Gedanke, und so muß es auch gespielt werden...“ Lockere Sprüche machen den täglichen Unterricht für die acht ausgewählten inter-nationalen Meisterkurs-Teilnehmer aus Deutschland, Chile, USA, Estland, Süd-Korea und Japan bei allergrößter Konzentration so unterhaltsam, dass sie beinahe spielend im Spiel die Anregungen umsetzen. In der individuellen kostbaren und köstlichen Unterrichtsstunde geht es um farbenreichen Anschlag, viel Pedalarbeit – ein Schwerpunktthema des Professors – und die Dramaturgie der Werke von Bach bis Ligeti, wobei natürlich der diesjährige Jubilar Franz Liszt in den Fokus  rückte, mit dem dann auch so richtig Tastenfeuerwerk gezaubert wurde. So konnten  die jungen Virtuosen ihr Profil eindrucksvoll schärfen und zur Aufführungsreife bringen.
Das Konzept des Meisterkurses, der dieses Jahr mit wachsender Nachfrage zum 4. Mal statt-fand, ist eine geschickte Mischung aus Unterricht und abendlichen Präsentationen an unter-schiedlichen Aufführungsorten der Stadt, und wer mit dem Festivalticket alle Konzerte be-suchte, konnte mit Vergnügen frappante Fortschritte  heraus hören.
Ohne Sponsoren geht es  auch hier nicht: ob der Partner Bechstein mit seinen Instrumenten, das Schwedenspeicher-Museum, das neue Airbus-Technologie-Zentrum, der Pferdestall im Schloss Agathenburg, die Seminar-Kulturturnhalle oder zahlreiche private Unterstützer: über-all ist engagierte Zusammenarbeit spürbar.
Im feierlichen, ausverkauften Finalkonzert ging es dann um den Publikumspreis „Tastensur-fer,“ den sich diesmal der in Zürich lebende Chilene Christoph Scheffelt  mit Debussys Suite „Pour le piano“ erspielte.
Professor Goetzke von der Hochschule für Musik und Theater Hannover, Schüler von K-H Kämmerling und Arturo Benedetti Michelangeli und langjähriger  Vorsitzender des DTKV Niedersachsen, zeigt sich begeistert: „solche Traum-Bedingungen gibt es nirgends sonst, dafür habe ich Meisterkurse in Shanghai abgesagt!“ Er schätzt die kuschelige Stadt-Atmosphäre, die gute Musikschul-Infrastruktur, die ungestörte Arbeitssituation und die sehr persönliche Betreuung durch das Team vom Verein „MusiConTakte“ um den stellv. Leiter der KJM, Jo-chen Brockmann.
Und so warten alle schon gespannt auf die 5. Klaviertage Unterelbe 2012.
Jutta de Vries
Gewinner des Publikumspreises "Tastensurfer" Christoph Scheffelt


Veranstaltungen und Seminare

Cadenberge.  So., 02.10.11, 17 Uhr, Ratssaal Cadenberge: Liederabend mit romantischen Gesängen von Liszt, Mahler, R. Strauss, Zemlinsky und Schönberg (op. 1), Falko Hönisch (Stuttgart), Bariton, und Gudula Senftleben, Klavier.
So. 09.10., 17 Uhr, Ratssaal Cadenberge: Duoabend mit Marit Wangensteen, Klavier, und Hans-Helmut Desch, Violine
Mo. 10.10., 20.15 Uhr, Marc 5 Cadenberge: Mitgliederversammlung 2011.
Göttingen. Am Donnerstag, 06.10.11, beginnt 20.15 Uhr die Mitgliederversammlung des Bezirkes Göttingen im Gemeindesaal der St. Johanniskirche, Johanniskirchhof 2.
Das nächste Schülerkonzert in der Aula des Göttinger THG, Grotefendstr. 1, findet am Sonntag, 20.11.2011 statt.
Lüneburg. Das 37. Festival für zeitgenössische Musik Lüneburg findet in der Zeit vom 16. Bis 22. Oktober 2011 statt. Pro-jektarbeit, Workshops und Vorträge finden von Montag bis Freitag, 11 bis 18 Uhr, im Fortbildungszentrum für Neue Musik, An der Münze 7, statt. Konzertort für die Live-Konzerte ist das Glockenhaus in der Glockenstraße.
Ein Wochenendseminar „Kammermusik – Neue Musik – Imporvisastion“ für Blockflötisten, Holz- und Blechbläser, Streicher, Gitarristen und andere Instrumentalisten findet vom 25. bis 27. November 2011, in Lüneburg statt. Dieses Seminar wird vom 09. bis 11.12.11 auch für/in Osterode (Harz) angeboten.
Seminare für Live-elektronische Musik / Live-Elektronik werden angeboten für 14./15. Oktober, 11./12. November und 16./17. Dezember 2011.
Gunter Sokolowsky (gs)

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