Neue Musikzeitung
Ausgabe Dezember 2012

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Braunschweiger Dozentenkonzert in historischen Räumen

Beitrag zur 10. Braunschweiger Kulturnacht im September 2012

Alljährlich treten die Dozenten des DTKV Braunschweig anlässlich der Kulturnacht mit einem abwechslungsreichen klassischen Programm auf. Mehr als 1900 Künstler aus den Bereichen Musik, Tanz, Film und Kunst zeigten ihr Können in 250 Veranstaltungen an 80 Orten und machten Braunschweig zu einem rauschenden kulturellen Eventzentrum. Im Mittelpunkt des Programms in der Dornse des Altstadtrathauses stand das Trio op.44 für Klarinette, Violoncello und Klavier von der französischen Komponistin, Pianistin und Musikwissenschaftlerin Louise Farrenc. Viele zu Unrecht fast vergessene Kompositionen der Frauen aus der Romantik erleben in Konzerten und Neueditionen eine Art Renaissance. Auch Farrencs Trio ist den anderen Werken der Romantik ebenbürtig und kann mit der Kammermusik eines Schumanns oder Mendelssohns-Bartholdys verglichen werden. Die Interpretinnen, Djamila Köhli (Klarinette), Larissa Becker (Violoncello) und Friederike Leithner (Klavier) spielten mit viel Enthusiasmus und Werkverständnis und zeigten in den Solostellen, wieviel musikalische Schönheit in diesem Stück eingefangen ist. Die Musikerinnen haben jeden einzelnen Satz in ihrer thematischen Arbeit sorgfältig ausgearbeitet und nuanciert vorgetragen.

Weiterhin standen zwei Lieder in der Fassung für Violoncello und Klavier des Braunschweiger Komponisten Louis Spohr auf dem Programm: Nachgefühl (J. W. von Goethe) WoO91 und Ungeduld (Wilhelm Müller), op. 94.4.  Die junge Violoncellistin Luise Frappier spielte souverän und sehr ausdrucksstark und gewann das Publikum für sich. Am Flügel wurde sie von Ilka Schibilak begleitet, die mit gewohnter Präzision eine beeindruckende Interpretation der Stücke erarbeitete. Mit atemberaubenden Bravour und Leichtigkeit spielte Ilka Schibilak noch zwei Solowerke von Frédéric Chopin: die Fantasie Impromptu cis-Moll op.66 und die Etüde C-Dur op.10 Nr.1. Das zahlreich erschienene Publikum teilte die Begeisterung der Musiker für die vorgetragenen Werke und trotz des „Pins-Prinzips“ (Flatrate für alle Veranstaltungen am Abend, nach dem Motto: reinschnuppern- bleiben- oder gehen) war der Saal bis zum Schluss sehr gut gefüllt. Da störte es auch nicht, wenn zwischen den Sätzen ein Handy klingelte. Klassische Musik in lockerem Rahmen und auf hohem Niveau.
Claudia Bigos (bica)

Foto: Die Instrumentalistinnen Djamila Köhli (Klarinette), Friederike Leithner (Klavier) und Larissa Becker (Violoncello)
Foto: Claudia Bigos

Den Körper wachsen lassen

Alexandertechnik für Musikausübende

Beim Wochenend-Schnupperseminar „Alexandertechnik“, das von Gudula Senftleben und Jörn Rolapp von der Bezirksgruppe Cuxhaven/Stade perfekt geplant wurde, waren sich alle 18 Teilnehmenden einig: mit der gesteigerten Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Körper und seinen Funktionen, mit dem besonderen Focus auf die Wirbelsäule und ihre Bewegungen, mit der Wahrnehmung einzelner Bewegungsabläufe beim Aufstehen, Hinsetzen, Gehen oder Liegen ist nicht nur der eigene Körper „gewachsen“ – es hat sich auch ein geistiger Raum gebildet für die Bereitschaft einer solchen Achtsamkeit sich selbst und auch seinem Instrument gegenüber.

Wenn falsche Gewohnheiten erkannt und erlebt werden, kann man anders reagieren und den Körper in seine genuine Offenheit und Durchlässigkeit zurückführen. Körperschmerzen gehen zurück, und das Üben macht wieder Spaß – wunderbarer Nebeneffekt ist ein viel schönerer Klang –die Töne aus den mitgebrachten Instrumenten Geige, Gitarre, Trompete und Klavier – auch als Stimme aus dem Körper – werden mit Leichtigkeit aus der genuinen Körperspannung heraus erzeugt. Faszinierend, was nach so kurzer intensiver Arbeit sicht- und hörbar wird.

Das alles und viel mehr machte das Seminar unter der fachkundigen, gelassenen und zugewandten Leitung der beiden Alexandertechnik-Lehrerinnen Marion Steinmann und Susan Frehner aus Hamburg zu einer ersten spannenden Erfahrung, die es nun individuell zu intensivieren gilt. Übrigens sind die anerkannten Erfolge der Alexandertechnik nicht nur für Musi-zierende eine bahnbrechende, fast zwingende Körpererfahrung – auch die Berichterstatterin sitzt jetzt ganz anders an der Computer-Tastatur...
Jutta de Vries (jdv)


„Liebesbotschaften“ in Gartenkonzerten vermittelt

Kunst und Musik – für Augen und Ohren

Wettmar. Nun bereits zum achten Mal veranstaltete Anfang Juli der Freundeskreis Burgwedeler Gartenkonzerte e.V. diese zwei kunstvollen Tage. Als Gastgeberin in ihrem eigenen Garten agierte Annette Langehein, Bratschistin und DTKV-Mitglied, und mit ihrem Gatten Kurt Kaschke. Auf dem Einladungsflyer fanden wir den erwähnenswerten Hinweis: „Genießen Sie Musik im Konzertsaal der Natur. Bringen Sie sich ein Picknick mit…“. Damit entstand wieder gewollt eine ganz besondere und andere Atmosphäre als im Konzertsaal.

Die „Serenade im Garten“ am Samstagabend wurde gestaltet von den Künstlerinnen Sabine Kaufmann (Flöte), Sylvia Bleimund (Gesang) und Andrea Wittig-Wesche (Harfe). Zu Gehör kamen zum Beispiel: eine Beethoven-Romanze, Alphonse Hasselmanns „Chanson de mai“, „Fantasie“ von Jasques Ibert und „Chanson dans la nuit“ von Carlos Salzedo.

Der Sonntag bot ein sehr breit gefächertes Kunstangebot. Den ganzen Tag über zeigten die Kunstmalerin Tatjana Kulakovskaja aus Honnover und der Keramik-Künstler Mark Turevski aus der Ukraine ihre Werke.

Beim mittäglichen Gartenkonzert erklangen nicht nur Werke von Bach, Schumann und Purcell, auch Fauré, Glazunov und Catalini wurden interpretiert.

Die Künstler Sabine Kaufmann (Flöte), Annette Langehein (Viola) sowie Klaus Wunderer (Violoncello). Christina Worthmann (Klavier) und Sylvia Bleimund (Gesang)präsentierten das Programm. Dazwischen lasen die Schauspielerin Gabriele Hiepko und Schauspieler und Theatermacher Bernd Surholt Auszüge aus Liebesbriefen: von Henriette Vogel an Heinrich Kleist, von Angelika Kaufmann an Goethe, aus dem Briefwechsel von Robert Schumann an Clara Wieck.

Die Lokalpresse beschrieb die Atmosphäre so: „…begleitet von Hühnergegackere, dem sogar das energische Krähen des Hahns keinen Einhalt gebieten“ konnte.
Gunter Sokolowsky (gs)


Musik als Entwicklung auf vielen Ebenen

Christoph J. Kellers neue Suite „Evoluzione“ aufgeführt

Musik als Entwicklung auf vielen Ebenen – so ließe sich Christoph J. Kellers neue Suite für Streichorchester (2011) charakterisieren. Schon der Titel weist darauf hin: „Evoluzione“.

Die vom kultivierten, wohlklingenden Ostfriesischen Kammerorchester (Leitung: Christoph Otto Beyer) im Alten Gymnasium Oldenburg uraufgeführte Suite besteht aus fünf Sätzen, die jeweils durch Veränderungen leitender Elemente gekennzeichnet sind. Beispielhaft seien die modifizierenden Abwärts-Skalen im Eingangssatz oder die charakteristischen Verwandlungen der Solovioline (glänzend gespielt von Mechthild Karkow) im dritten Satz genannt, ebenso wie das gezielte Aufbrechen des musikalischen Flusses im vierten Satz sowie die unentwegt variierende Rhythmik im Finale.

Doch auch über Satzgrenzen hinweg entwickelt Keller hin zu einem organischen Ganzen, etwa durch mehrmalige Verwendung von Choralzitaten („Aus tiefer Not“). Dabei entsteht die für Keller typische, zugängliche Klangwelt. Er selbst assoziiert sein Werk als den „Werdegang und die Lebensstationen eines Menschen“. Dass Streichinstrumente mit ihren zahlreichen Ausdrucksmöglichkeiten und Farbvarianten dem Modulationsreichtum des Vokalen nahe kommen, passt zu jener Aussage des Oldenburger Komponisten, der in diesem Sinne ein sehr menschliches, hörenswertes Werk geschaffen hat.

Den Rahmen bildeten zwei Werke der Wiener Klassik: Das Ostfriesische Kammerorchester ließ auch in Haydns Sinfonie Nr. 64 A-Dur „Tempora mutantur“ Spielkultur und geschicktes Phrasieren hören. In Mozarts Sinfonia concertante Es-Dur KV 320 spielten Geigerin Mechthild Karkow und Bratschistin Petra Wolff als Solistenpaar von hoher Güte. Beide gestalteten gemeinsam und intensiv, beide trafen die Mozartische Leichtigkeit punktgenau. Auch dafür gab es am Schluss großen Applaus.
Volker Timmermann (tiv)

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