Neue Musikzeitung
Ausgabe Juli 2013

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Aufführungssituation als musikalischer Experimentierraum

Körperliche Sicherheit trägt den Klang
„Multi-Kulti“-Konzert der Streicherakademie

Hannover. Was es bedeutet, Konzertpädagogik im doppelten Sinn zu betreiben, war Mitte Februar 2013 von der Streicherakademie Hannover zu erfahren. Unter der Leitung von Marie-Luise Jauch versammelten sich Musikerinnen und Musiker im Alter von 6 bis 75 Jahren an zwei Konzertabenden in der Tellkampfschule und in der Bonhoeffer-Kirchengemeinde. Betitelt mit „Multi-Kulti“ wurde sowohl für die Mitwirkenden, als auch für alle Zuhörer, eine Aufführungssituation als musikalischer Experimentierraum geschaffen.

In orchestraler Besetzung wurde der Abend mit ungarischen Kreistänzen und lateinamerikanischen Rhythmen eröffnet. Die Personenanzahl auf der Bühne reduzierte sich allmählich bis hin zum spanischen Tanz, arrangiert von Fritz Kreisler für eine Solovioline, um sich anschließend mit der Besetzung für Salonmusik wieder konstant auszuweiten. Die Dramaturgie ähnelt daher dem Sanduhrformat: zwar dosiert, aber inhaltlich und alterstechnisch durchlässig. Als Zusammenhalt haben alle Streicher der Musikakademie Hannover eine gemeinsame Grundlage – ihre Mitglieder genießen in ihrer Ausbildung die Körpertechniken Solmnisation und Feldenkrais. Die dadurch geschaffene körperliche Sicherheit trägt den Klang im Saal.

Wie in der vorangegangenen Konzertreihe „Musikerzählungen“ wird neben dem Hörsinn auch für die Augen musiziert - Maiken Jauch und Carolin Ladda zeigten, was passiert, wenn zwei Menschen auf nur einer Geige Duette spielen wollen und beim „Calypso Jam“ finden sich rasante Fiddletunes samt Instrumenten in Choreographien verpackt. Neugier wird mit noch mehr Fragen beantwortet, die die Komponisten unter die Lupe nehmen und persönlich in Bezug gesetzt werden.
Was hatte die Pariser Kompositonslehrerin Nadja Boulanger mit Astor Piazolla zu tun? Warum hat Schostakowitsch irritierende Intervalle in seine Kompositionen eingebaut? Antworten werden in Interaktion mit dem Publikum gegeben oder musikalisch im eigenen Körper spürbar:

Mitten in leidenschaftlichen Tangoklängen betritt eine murmelnde schwarz-rot-gekleidete Schar den Raum. Profis und blutige Anfänger_innen treffen aufeinander, legen unerbittliche Zeilen über die Melodie des Libertangos. Ein gemeinsames Pulsieren bildet einen flüchtigen, bisher unsichtbaren Raum. „Wann hat das angefangen? Das fragen wir mit Bangen. Sag Du wie lange leb ich, der Rhythmus bleibt auf ewig…“
Theresa Schrezenmeir (esa)


Atemarbeit mit sensorischem Erleben

Seminar zu Atem und Stimme im Instrumentalunterricht

Hannover. Nach längerer Seminarpause hat der neue Vorstand des DTKV Bezirksverbandes Hannover/Celle seine Seminartätigkeit wieder aufgenommen. Als Auftakt im neuen Jahr veranstaltete der Bezirksverband Anfang Februar das Seminar „Atem und Stimme im Instrumentalunterricht“. Als Referent stand Ludwig Thöle, Atem-, Sprech- und Stimmlehrer in eigener Praxis, zur Verfügung.

Atemarbeit nach Schlaffhorst–Andersen in Verbindung mit sensorischem Erleben nach dem Konzept des „Lichtenberger® Institut für angewandte Stimmphysiologie“ boten den Teilnehmern ein breites Spektrum, ihre eigene Wahrnehmung in Bezug auf den eigenen Atem und die Stimme zu schulen. Eingebunden wurden die „Regenerationswege“ und „Atemschriftzeichen“ nach Schlaffhorst-Andersen.

Pianisten, Bläser, Streicher, Sänger und eine Harfenistin folgten diesem Angebot und leisteten den Übertrag im Umgang mit dem eigenen Instrument. So wurde es für alle Teilnehmer ein ereignisreicher und spannender Tag: unterhaltsam, erfahrungsreich, aber auch nachdenklich machend.

Ein Folgetermin ist in Planung, in dem diese Arbeit in der Lehrer-Schüler-Zusammenarbeit im Mittelpunkt stehen soll. Lehrer sind dann herzlich eingeladen, einen Schüler mitzubringen.

Ermöglicht wurde das Zustandekommen des Seminars durch zahlreiche Anmeldungen einerseits und durch einen Zuschuss vom Landesverband Niedersachsen andererseits.
Cordula Sodt (codt)

Kursleiter Ludwig Thoele mit der Harfenistin Isabel Moreton und Atemkreisen nach Schlaffhorst-Andersen
Foto: Cordula Sodt

Reizvolles

Osnabrück. Musik der Komponistinnen Mel Bonis, Lili Boulanger und Anna Bon di Venezia, cross over-Elemente und selten aufgeführte Werke waren Schwerpunkte in einem Konzert als eine der letzten Veranstaltungen des Osnabrücker Frauenkulturvereins Mother Jones e.V.. Der Verein bot eine große Zahl frauenspezifischer Veranstaltungen, welche sich eindrücklich in die Stadtgeschichte Osnabrücks einschrieben. Nun geht „Mother Jones“ in Ruhestand und bot noch einmal eine tiefsinnige Veranstaltung mit dem Trio Fluvio.

In der ungewöhnlichen Besetzung Querflöte (Anke Roßner), Percussion (Ursula Schmidt) und Klavier (Ruth Ense) zeichnete sich das Trio durch Spielfreude, Experimentierlust sowie sensible Interpretation aus.

Reizvolle am Abends war die Begegnung von Komposition und Improvisation und die Vermischung von Klassik und Jazz. So erschienen Klaviersonaten von D. Scarlatti – improvisatorisch verstärkt und verfremdet durch Djembe, Rahmentrommel und Wasserharfe – in einem durchaus neuen Licht. Musik von Claude Bolling in der Besetzung Flöte, Klavier, Percussion jonglierte quicklebendig zwischen Jazz und Klassik. Eine Eigenkomposition von Ursula Schmidt für Djembe zeigte eine erstaunliche Farbpalette. Begeisterter Applaus.
Ulrike Hampel-Harbaum (ulha)


Eingespielt

Osnabrück. Die Literatur für Klavier zu vier Händen ist umfangreich und vielfältig. Da wird auch dem Osnabrücker Klavierduo Hee Jung Kim & Peter Florian so rasch nicht die Luft ausgehen.

Seit vielen Jahren profilieren sie sich mit Konzerten nicht nur regional, sondern auch in verschiedenen europäischen und asiatischen Ländern. Wer so glänzend aufeinander eingespielt ist wie sie, kann getrost unbekannteres Repertoire erkunden.

Zu Beginn, eine selten gespielte Sonate für Klavier zu vier Händen von M. Moussorgski lässt aufhorchen. Im Allegro assai beherrscht das in Oktaven geführte Thema den Satz. Der zweite Satz, Scherzo, bringt ein leichtes, dann kraftvoll wiederholtes russisches Tanzmotiv als Rondothema. Lyrische Gegenpassagen erzeugen ein farbiges Klangbild. M. Glinkas Capriccio auf russische Themen wirkt dagegen streckenweise wie eine Skizze für spätere Orchestrierung. Klaviermusik von echtem Schrot und Korn ist Johannes Brahms‘ "Souvenir de la Russie". Mit 19 hatte der junge Brahms die 6 Stücke in Form von „Fantasien“ über bekannte russische Melodien unter dem Pseudonym W.H. Marks veröffentlicht. Erst 1994 erschienen die Noten unter Brahms‘ richtigem Namen bei Bärenreiter/Kassel. Da gibt es Variationen mit Steigerungen am Schluss, schlichte Melodien wie zum Mitsingen, Themen, die in höchste Diskantbereiche aufsteigen und energische Tanzrhythmen, scharf punktiert. Kein Wunder, mit solchen Stücken kann das Klavierduo sein Publikum fesseln.

Eine weitere Steigerung brachten die "Six morceaux" op. 11 von S. Rachmaninov. Geschmackvoll erlaubt man sich in allen Sätzen agogische Freiheit, slawische Schwermut wird impressionistisch aufgehellt, träumerisch kommen die weiträumigen und virtuos die kleinteiligen Passagen zur Geltung. Im Schlussteil baut sich kraftstrotzende Spannung auf, die das Klavierduo bis zum letzten Ton durchhält. Das Publikum erlebt ausgereifte Interpretationen in hochkonzentriertem Zusammenspiel.
Thomas Hitzemann (thi)


Erinnerung

Hannover. Wir möchten alle Bezirksverbände noch einmal die diesjährige Landesdelegiertenversammlung hinweisen, die am Samstag, 28.09.2013, in der Geschäftsstelle, Arnswaldstraße 8, zwischen 11 Uhr und 16 Uhr stattfinden wird. Als Gast ist der Präsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes (DTKV), Dr. Dirk Hewig, eingeladen. Bitte prüfen Sie gleich zu Beginn des neuen Schuljahres Anfang August, ob die Anzahl der Delegierten abgesichert ist oder veranlassen Sie noch eine Neuwahl.
Gunter Sokolowsky (gs)

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