Neue Musikzeitung
Ausgabe Mai 2018

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Ein Weidenbaum in der Wildnis

Blühende Barockmusik mit Ensemble Arava

Hannover. Im Rahmen der Vorspiel-Reihe des Resonanzen-Festivals sind wir Anfang 2018 in Wien aufgetreten. Nun möchten wir die Gelegenheit wahrnehmen, uns hier vorzustellen.
Wir sind ein junges deutsch-israelisches Ensemble, bestehend aus vier Musikern mit drei Instrumenten aus zwei Nationen, die ihre gemeinsame Liebe zur Barockmusik in die Welt hinaustragen wollen.
Ensemble Arava, das sind Einat Aronstein – Sopran (Basel), Sophie Wedell – Barockvioline (Den Haag), Nora Matthies – Barockcello (Hannover) und Avinoam Shalev (Den Haag) – Cembalo.
Arava ist hebräisch und bedeutet sowohl Weidenbaum als auch Wildnis.
Ein Wort, das zwei starke Bilder vereint – den zarten Weidenbaum als Symbol für den sich ewig erneuernden, fruchtbaren Frühling und die Wildnis als Ort der ungezähmten, fremden Natur.
Unsere Besetzung verkörpert durch das Zusammenspiel von Stimme und Violine in einem kleinen Ensemble eine besondere Ästhetik. Musik hierfür gibt es reichlich, sie wird jedoch zu selten gespielt. Wir wollen sie ans Licht holen und geben ihr den Raum, den sie verdient.
Unsere Mission ist es, dramaturgisch wirksame Konzepte entwerfen. Ein hoher musikalischer Anspruch ist die Grundvoraussetzung, doch wir wollen darüberhinaus vor allem eine Geschichte erzählen, die den Zuhörer anspricht und ihn für die Dauer des Konzertes auf eine Reise mitnimmt.
Dazu begeben wir uns gerne in den Grenzbereich von Musik und Schauspiel und moderieren all unsere Konzerte mit Witz und frischen Ideen. Wir hoffen darauf, dem Zuhörer dadurch die Möglichkeit zu geben, sich noch tiefer auf die Musik einzulassen.
Beim 1. Internationalen Moderationswettbewerb 2017 in Frankfurt konnten wir unsere Experimentierfreude unter Beweis stellen und wurden mit dem 1. Preis und dem Publikumspreis ausgezeichnet. So reich beschenkt freuen wir uns besonders auf ein weiteres Konzert im Kaisersaal des Frankfurter Römer in der nächsten Saison.
Für das renommierte Resonanzen-Festival, mit dem wir unser Konzertjahr eröffnen durften, haben wir ein österreichisches Programm um die Musik am Hofe Kaiser Karls V. entworfen. Es enthält einige echte Perlen österreichischer Barockmusik, darunter zwei Sonaten des von Johann Jakob Stupan von Ehrenstein, auf dessen Musik wir auf unseren Streifzügen durch die Bibliotheken gestoßen sind.
Für 2019 planen wir derzeit eine Tournee durch Israel. Wir freuen uns sehr darauf, der Heimat zweier unserer Mitglieder, die selbst eine so reiche kulturelle Szene hat, einen Besuch abzustatten.
In Deutschland erleben kann man uns am im Rahmen der Lobenhäuser Musikwoche am 5. Juni 2018 um 19.30 in der in der Kirche der Seligpreisungen in Körle-Lobenhausen bei Kassel.
„…kreativ, begeistert und begeisternd“ schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung über Ensemble Arava. Begeistert sind wir auf alle Fälle. Von allem anderen können wir hoffentlich in einem unserer Konzerte überzeugen! ? Nora Matthies und Sophie Wedell
◾ Nora Matthies und Sophie Wedell

Das Ensemble Arava (von links):
mit Einat Aronstein, Avinoam Shalev, Sophie Wedell und Nora Matthies - Foto: Jo Titze




Vier Pianisten führen auf einem Klavier “Siku siyu mbali” von Sören Sieg auf

40 Finger auf 88 Tasten ohne Platznot und keine Berührungsängste

Oldenburg. Russen sagen: Das Lied klebt! Es ist ihr Ausdruck für den gemeinen Ohrwurm in der Musik. “Für Elise” heißt so einer. “We are the Champions” so ein fast schon abgedroschener. Und “Siku siyu mbali” ein anderer. Wie bitte? Kennt doch keiner! Kann sich auch keiner merken!
Doch. Ein stattliche Hörerschar im Oldenburger Kulturzentrum PFL hat ihn gehört und per begeisterter Akklamation gleich zum Ohrwurm erklärt. Erstmals war die Komposition von Sören Sieg zu erleben, als Uraufführung also. Der Hamburger Universalkünstler, Jahrgang 1966, hat sie maßgeschneidert für die Interpreten: Für das Pianisten-Quartett “Tastissimo” und für deren besonderen Auftritt. Drei Frauen und ein Mann an einem Klavier, 40 Finger für 88 Tasten.
Im mitreißenden Einsatz: Christiane Abt, künstlerische Mitarbeiterin am Institut für Musik der Oldenburger Uni; Gabriele Hoeltzenbein, Kammermusikerin und Kirchenmusikerin; Ruth Ense, Klavierpädagogin an der städtischen Musikschule; Ronald Poelman, Klavierpädagoge, Komponist, Improvisator. Es sind vier Musiker, die Freude und Willen daran spüren lassen, etwas gemeinsam zu entwickeln, ohne reibende Gegensätze wegzuschrubben. Jeder schärft bei aller Kongruenz sein eigenes Profil.
Sören Sieg könnte ihr Hauskomponist werden. Der Komponist, Satiriker, Buchautor und über viele Jahre Sänger in der A-cappella-Formation LaLeLu, tickt ähnlich wie das Oldenburger Ensemble. Es versprüht die Freude am Entdecken, am musikalischen Tiefgang ebenso wie am musikalischen Spaß. Alles springt auch auf die Hörer über, die Komponist und Quartett herzlich feiern, und die auf dem Heimweg dieses umwerfende “Rattata-tammtammtamm” nicht aus den Ohren schütteln können.
Sieg hat sich bei “Siku siyu mbali” auf den zweiten Satz seiner 15. Afrikanischen Suite für Blockflöten gestützt. Den Titel übersetzt er mit “Der Tag ist nicht fern.“ Die Musik erinnert rhythmisch und melodisch an die Intros zu den Serien über Charlie Brown und seine Freunde. Sie hält bei verträumten Passagen kurz inne, ehe sie ihren unwiderstehlichen Sog entfaltet. Optisch beginnt das Vergnügen, wenn Ense und Hoeltzenbein klopfend neben und Poelman rücklings unter dem Klavier arbeiten. Musikalisch steigert sich der Genuss, wenn alle Vier auf der Enge der Tastatur handgemein werden, ohne anzuecken.
“Tastissimo” hat das übrige Programm auf dem Weg zur finalen Steigerung klug aufgebaut. Vom solistisch linkshändigen Spiel bei Scriabins Prelude op. 9/1 streuen die Pianisten zwei-, vier- und sechshändig Perlen aus, von Dmitri Schostakowitsch, Fazil Say, Igor Strawinsky oder Alfred Schnittke. Bei aller Lockerheit der Diktion wirkt das Divertimento von Leo Smit von 1942 erstaunlich dicht. Und die “Spirale Symphonie” des estnischen Hobby-Astronomen Urmas Sisask erweist sich Sphärenmusik aus einer entrückten Welt, eingewickelt in Silberpapier.
Wie hieß nun dieser Ohrwurm noch? Ach, den kniffligen Titel schon wieder vergessen. Muss man unbedingt auswendig lernen!
◾ Horst Hollmann

Das Oldenburger Pianisten-Quartett Tastissimo
mit Ronald Poelman, Christiane Abt, Ruth Ense und Gabriele Hoeltzenbein.
Foto: Horst Hollmann




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