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Das Ensemble Arava (von links):
mit Einat Aronstein, Avinoam Shalev, Sophie Wedell und Nora Matthies - Foto: Jo Titze |
Oldenburg. Russen sagen: Das Lied klebt! Es ist ihr Ausdruck für den gemeinen Ohrwurm in der Musik. “Für Elise” heißt so einer. “We are the Champions” so ein fast schon abgedroschener. Und “Siku siyu mbali” ein anderer. Wie bitte? Kennt doch keiner! Kann sich auch keiner merken!
Doch. Ein stattliche Hörerschar im Oldenburger Kulturzentrum PFL hat ihn gehört und per begeisterter Akklamation gleich zum Ohrwurm erklärt. Erstmals war die Komposition von Sören Sieg zu erleben, als Uraufführung also. Der Hamburger Universalkünstler, Jahrgang 1966, hat sie maßgeschneidert für die Interpreten: Für das Pianisten-Quartett “Tastissimo” und für deren besonderen Auftritt. Drei Frauen und ein Mann an einem Klavier, 40 Finger für 88 Tasten.
Im mitreißenden Einsatz: Christiane Abt, künstlerische Mitarbeiterin am Institut für Musik der Oldenburger Uni; Gabriele Hoeltzenbein, Kammermusikerin und Kirchenmusikerin; Ruth Ense, Klavierpädagogin an der städtischen Musikschule; Ronald Poelman, Klavierpädagoge, Komponist, Improvisator. Es sind vier Musiker, die Freude und Willen daran spüren lassen, etwas gemeinsam zu entwickeln, ohne reibende Gegensätze wegzuschrubben. Jeder schärft bei aller Kongruenz sein eigenes Profil.
Sören Sieg könnte ihr Hauskomponist werden. Der Komponist, Satiriker, Buchautor und über viele Jahre Sänger in der A-cappella-Formation LaLeLu, tickt ähnlich wie das Oldenburger Ensemble. Es versprüht die Freude am Entdecken, am musikalischen Tiefgang ebenso wie am musikalischen Spaß. Alles springt auch auf die Hörer über, die Komponist und Quartett herzlich feiern, und die auf dem Heimweg dieses umwerfende “Rattata-tammtammtamm” nicht aus den Ohren schütteln können.
Sieg hat sich bei “Siku siyu mbali” auf den zweiten Satz seiner 15. Afrikanischen Suite für Blockflöten gestützt. Den Titel übersetzt er mit “Der Tag ist nicht fern.“ Die Musik erinnert rhythmisch und melodisch an die Intros zu den Serien über Charlie Brown und seine Freunde. Sie hält bei verträumten Passagen kurz inne, ehe sie ihren unwiderstehlichen Sog entfaltet. Optisch beginnt das Vergnügen, wenn Ense und Hoeltzenbein klopfend neben und Poelman rücklings unter dem Klavier arbeiten. Musikalisch steigert sich der Genuss, wenn alle Vier auf der Enge der Tastatur handgemein werden, ohne anzuecken.
“Tastissimo” hat das übrige Programm auf dem Weg zur finalen Steigerung klug aufgebaut. Vom solistisch linkshändigen Spiel bei Scriabins Prelude op. 9/1 streuen die Pianisten zwei-, vier- und sechshändig Perlen aus, von Dmitri Schostakowitsch, Fazil Say, Igor Strawinsky oder Alfred Schnittke. Bei aller Lockerheit der Diktion wirkt das Divertimento von Leo Smit von 1942 erstaunlich dicht. Und die “Spirale Symphonie” des estnischen Hobby-Astronomen Urmas Sisask erweist sich Sphärenmusik aus einer entrückten Welt, eingewickelt in Silberpapier.
Wie hieß nun dieser Ohrwurm noch? Ach, den kniffligen Titel schon wieder vergessen. Muss man unbedingt auswendig lernen!
◾ Horst Hollmann
Das Oldenburger Pianisten-Quartett Tastissimo
mit Ronald Poelman, Christiane Abt, Ruth Ense und Gabriele Hoeltzenbein. Foto: Horst Hollmann |
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