Neue Musikzeitung
Ausgabe Mai 2020

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In heftigen Zeiten im Interesse der Mitglieder entscheiden

Erweiterter Vorstand steht Mitgliedern nach besten Möglichkeiten zur Seite

Braunschweig/Hannover. Das waren heftige Zeiten für uns als DTKV Landesvorstand, denn innerhalb kurzer Zeit musste im Interessen unserer Mitglieder über Wichtiges entschieden werden.
Unser Mitgliedsbeitrag ist laut Satzung im April fällig, Studenten, Rentner und Ehepartner zahlen die Hälfte. Dazu gab es im erweiterten Vorstand große Diskussionen. Einziehen wie üblich, verschieben, halbieren, oder ganz erlassen? Die Einigung im Vorstand ergab: der Einzug wird ausgesetzt, die Mitglieder bekommen eine Rechnung und werden gebeten, nach Vermögen möglichst früh, spätestens Ende August den Beitrag zu überweisen. Sollte die Finanzlage schwierig werden wird über eine Spendenaktion nachgedacht: finanziell gut Aufgestellte könnten gebeten werden, Mitgliedsbeiträge für schwach Aufgestellte zu übernehmen! Leider wissen wir aber nicht, was uns erwartet!
Wichtige Hinweise für die Mitglieder waren: ist Unterrichten noch erlaubt? Welche Hygienmaßnahmen sind erforderlich. Vor Allem aber wo gibt es Hilfen! Sehr gut informiert das „Musikland Niedersachsen“ , auch der Bundesverband rührt sich.
Leider musste der PC im Büro kurzfristig erneuert werden und funktionierte ausgerechnet in dieser Zeit nicht. Das Versenden der Rundmail war dann über die Bezirke geplant, hat aber leider nicht hundertprozentig geklappt! In dieser Situation ganz besonders unangenehm!
Zu den Hilfen für unsere Mitglieder als die wichtigste Frage: Zuerst war die Rede vom Grundeinkommen, dass der Deutche Musikrat für Künstler und freie Musikpädagogen forderte. Ja das wäre wirkungsvoll! Dann kamen Meldungen über das 50 Milliarden Paket der Bundesregierung für Kleinbetriebe und Soloselbständige, dann das Hilfspaket aus Niedersachsen. Große Hoffnung, dass die Politik an uns denkt und uns helfen will! Nach den ersten Anrufen enttäuschter Mitglieder befassten wir uns näher mit Allem und stellt fest: Betriebskosten werden bezuschusst, und auch die nur bei Liquiditätsengpässen, sprich nach dem das Ersparte verbraucht ist? Was nun? Ein Beitrag auf ARD wies darauf hin, dass Soloselbständige in Baden Würthemberg wohl 1080 € monatlich bekommen sollen. Schriftlich findet man das leider nirgendwo.
Was nun? Wie ist die Reaktion auf unzureichende Hilfen? Suchen Sie den Kontakt zu anderen Verbänden! Auch eine Petition für den Landtag vorbereiten und auf die größtenteils prekäre Lage von Lehrbeauftragten und Honorarkräften und Soloselbständigen hinweisen!? Erst einmal Kontakt mit Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung und dem Landesmusikrat aufnehm,en?! Das ist Stand vom 2. April!
Am Telefon Fragen zu beantworten soweit als möglich: Wie stelle ich einen Antrag, wenn keinen PC vorhanden ist? Können wir nicht beantworten. Die meisten Anrufer sind sehr freundlich, sehr unfreundliche Mails gab es allerdings auch!
Schwierig ist, zwischen Informationen, die reichlich kommen, sichten und ein wegen Überfüllung streikendes Postfach wieder in Gang bringen! Und nicht wissen, wie vielen Mitgliedern es schlecht geht! Nicht wissen, wie es weitergehen wird!
◾ Friederike Leithner, Landesvorsitzende



Akkorde vom Baum pflücken - den Klang greifen wie einen Schwamm

Prof. Hell (Mainz) gibt wichtige Übehinweise zur Klaviermusik des 20. Jahrhunderts

Braunschweig. Klaviermusik des 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkt György Ligeti stand auf dem Programm des letzten Klavierpodiums in der Klavierfabrik Grotrian-Steinweg.
Prof. Thomas Hell von der Musikhochschule Mainz begann das Klavierseminar mit dem Stück „Pittoresco“ op.22 Nr. 7 aus „Visions fugitives“ von Sergej Prokofjew und stellte die grundlegende Frage: „Wie geht man an so ein Stück heran?“ Die großen, unbequemen Intervalle zuerst üben und zwar so lange, bis die Hände sich gegenseitig nicht „ablenken“. Auf diese Weise wurden 25 Minuten lang „coram publico“ gerade mal 2 Zeilen „geübt“ und das Publikum merkte, dass Prof. Hell besonderen Wert auf Sprachbilder legt, die der Interpretation helfen, wie z.B. „Akkorde vom Baum pflücken“ oder „den Klang greifen wie einen Schwamm“.
Anschließend wurde eine Sonate aus dem Jahre1948 des Komponisten Henri Dutilleux erarbeitet, die dieser für „sein erstes vollwertiges Werk“ hielt. In Frankreich, Korea und Japan wird dieses Stück mit Begeisterung gespielt, in Deutschland ist es weitgehend unbeachtet. Ein beeindruckendes Werk mit vielen problematischen Stellen. Prof. Hell kommentierte diese mit „Tempo braucht innere Ruhe“; „Klarheit trifft auf Dunkelheit“; „Eiskristalle und Wärme in Tönen einfangen“; „Thematische Verfolgung der Melodie zeigen, nicht nur einzelne Töne“ etc. Diese bildhafte Sprache passte perfekt zu den behandelten Stellen. Eine Übung zur Lockerheit der Hand durch Kreisen der Finger auf den stummen Tasten wird anerkennend auch vom Publikum erprobt. Die Etüde „Au gré des ondes“ aus „Six petites Pièces“ ist laut Prof. Hell der beste Einstieg zur Musik von Dutilleux. Allgemein gilt: Man muss unbeeinflusst von allem eine Idee zum Stück entwickeln und dies sei ein „lebenslanges Suchen“.
Ligetis 18 Etüden (3 Bände) gehören mittlerweile zum Pflichtprogramm in den Wettbewerben und weisen nicht nur in der Titelanlehnung eine Nähe zu Debussy auf. Prof. Hell demonstriert beeindruckend längere Stellen aus den Etüden und verrät beiläufig, dass die schwierigsten Etüden dem Pianisten ca. 300 Arbeitsstunden im „mühsamen, täglichen Lernen“ abverlangen. Der Schwierigkeitsgrad bei diesen unzähligen polytonalen und polyrhythmischen Stellen, komplementären Rhythmen und auch die Illusion von mehreren gleichzeitig ablaufenden Tempi oder die schwierige Verschiebung der Akzente nannte der Dozent „ die Bösartigkeit dieser Etüden“: all das war dem anwesenden Fachpublikum dank seiner Demonstration leicht nachvollziehbar. Die interessanteste, schwerste und zugleich schönste Etüde Nr.13 „L´escalier du diable“ beeindruckte nicht nur durch ungewöhnliche achtfache piano bzw. forte Zeichen. Ligetis Inspiration waren Chopins, Liszts und Debussys Etüden. Ligeti wäre gerne Pianist geworden, gab sich jedoch zufrieden „schwer zu komponieren“.
Mit Ch. J. Kellers „Tropfsteinhöhle“ setzte Prof. Hell seine Frage nach der Interpretation, dem richtigen Charakter, der passenden, stets sehr subjektiven Ausgestaltung eines Stückes fort, die nicht notwendigerweise mit der des Komponisten übereinstimmen muss. Die Etüde „L´hymne à l´amour“ aus Book IV Nr.12 von William Bolcolm beeindruckte durch eine um sich kreisende, mystisch anmutende 8-Tonfolge. Die Notation der Stimmen auf 4 Systemen unter einer Akkolade forderte auch das Lesen des Notentextes.
Zum Schluss erklang die „Fantasia Baltica“ von Manuell de Falla, die nicht nur technisch anspruchsvoll und sehr schwierig auswendig zu lernen ist, sondern auch schnelle, spanisch anmutende, „dolchstoßartige“ Charakterwechsel aufweist.
Ein beeindruckendes Seminar, das die Unsicherheit der Neuen Musik gegenüber nahm, ohne belehrend zu wirken. Es war eine wunderbare Erfahrung, die komplizierten harmonischen, wie rhythmischen Gebilde als nachvollziehbar und sogar faszinierend zu empfinden. Prof. Hell zeigte, dass er ein wahrer Kenner und ein großartiger Interpret der Musik des 20. Jahrhunderts ist. Ein Gewinn für uns alle.
◾ Claudia Bigos (bica)


Teilnehmerin Urara Kobayashi aus Tokio und Prof. Hell bei der Arbeit an der Sonate von Dutilleux (Foto: Claudia Bigos)




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